von Königswinter
1816 – 1873
Wie freut mich diese volle
Jugendblüthe,
In der die hochgewachsnen
Formen prangen,
Das schöne Haupt von dunklem
Haar umhangen,
Die Augen voller Schalkheit,
Lust und Güte!
Das Lippenpaar, das für den
Kuß erglühte,
Das feine Lächeln auf den
Pfirsichwangen,
Die süße Stimme: frei und
unbefangen
Klingt jedes Wort aus
lieblichstem Gemüte!
O Sterne, Vögel, Blumen,
Himmel, Sonnen,
Und was die Welt an holden
Wundern heget,
Wohl füllt ihr Anblick uns das
Herz mit Wonnen.
Doch wenn ein solches Bild den
Geist beweget,
Die andern sind wie Schemen
leicht zerronnen.
Hier ist der Schönheit Siegel
aufgepräget.
von Königswinter
1816 – 1873
O Wölbungen der Stirne, welche
ragen
Groß, hoch und klar aus
dunklen Lockenwellen!
O Augen, welche bald sich
leuchtend hellen,
Und bald von fernen tiefen
Träumen sagen!
O zwischen Wangen, die zum
Wettstreit fragen
Die Rosen all’, der Lippen süße
Schwellen,
Wo tiefe Seligkeiten frischauf
quellen,
Und dieses Haupt, vom
schlanksten Leib getragen!
Ein hold Gemüt, dem Ernst, dem
Scherz ergeben,
Das Güt’ und Herzlichkeit zum
Sitz erkoren,
Und das die Lieb’ und Anmut
tief durchweben!
Ein Weib so schön, so
tugendreich geboren,
Trat vor mich hin voll
siegbewußtem Leben,
Daß ich, betrachtend es, mich
selbst verloren.
von Königswinter
1816 – 1873
Nur aus der Ferne darf ich
dich beschauen!
Dann ruhn die tiefen sel’gen
Blicke lange
Auf Haar und Augen und auf
Lipp’ und Wange
Und auf den Gliedern, die sich
herrlich bauen.
Mich dir zu nahen, faßt’ ich
nie Vertrauen,
Zu dir zu reden, ist das Herz
mir bange;
Kaum ward berührt von deiner
Stimme Klange
Mein furchtsam Ohr, du Zierde
aller Frauen!
Es leben andre frei und
ungebunden
In deinem Kreis, es sagt dir
der Verwegne
Leicht, heiter, frisch, was er
für dich empfunden.
Doch ich, von deiner Schönheit
trunken, segne
Von ferne dich; ich preise
schon die Stunden,
Du schönes Kind, worin ich dir
begegne.
von Königswinter
1816 – 1873
Mich selber hab ich nun so
ganz verloren,
Ich schau’ in mich und kenne
mich nicht wieder.
Wo sind die frohen Taten,
süßen Lieder,
Die unbefangen einst der Geist
geboren?
Dein denk’ ich, wenn aus
goldnen morgentoren
Der Tag erhebt sein
strahlendes Gefieder;
Dein denk’ ich, sinkt die
dunkle Nacht hernieder.
Es ist ein Wahn, und doch, wie
gern erkoren!
Mir selber fremd, kann ich
mich nicht verstehen,
Mein Wort schier fürchtend,
brüt’ ich hin in Schweigen,
Ich bebe fast, mein
Spiegelbild zu sehen.
Doch mag ich gern mich ein
Verlorner zeigen;
Statt meiner ist – o Heil, daß
es geschehen! –
Ein hohes, liebes, holdes Bild
mein eigen.
von Königswinter
1816 – 1873
Wie sind die alten Zeiten doch
vergangen!
Aus freud’gem Herzen kann ich
nicht mehr singen;
Gewaltsam quält den Geist in
wildem Ringen
Hochfahrend Wünschen und
verzweifelnd Bangen.
Seh’ ich dich plötzlich,
glühen mir die Wangen,
Vor dir zu reden kann ich kaum
mich zwingen,
Gleichwie gelähmt sind mir des
Geistes Schwingen,
In wirrem Taumel zittr’ ich
scheu befangen.
Bin ich dir ferne wachst der
Mut dem Herzen,
Mein stürmend Wort, es
fürchtet keine Schranken,
Ich wag’ es keck zu kosen und
zu scherzen.
Ich küsse dich – die Arme dich
umranken –
Ich schwör’ dir ew’ge Treu’ –
o bittre Schmerzen! –
Klein ist die Tat – groß sind
nur die Gedanken!
von Königswinter
1816 – 1873
Nie werd’ ich handeln gegen Recht
und Sitten;
Drum was ich tue, sei mir
unbenommen.
Sahst du mich jemals
unbescheiden kommen,
Mutwillig je mich folgen
deinen Schritten?
Ach, keiner sieht’s steh’ in
der Nächte Mitte
Ich vor dem Hause, wo du
wohnst, beklommen?
Was geht’s dich an, will mir
dein Bild nur frommen?
Was geht’s dich an, wenn ich
um dich gelitten?
Nie wird mein kühnres Wort
sich zu dir wagen:
Stets magst du freudig
ungestört erhören,
Was, die mit Rang und Reichtum
prunken, sagen.
Ein schlichter Sänger bin ich;
mir gehören
Nur Lieder, ach, die Last ist
leicht zu tragen,
Und Lieder werden dir die Ruh’
nicht stören!
von Königswinter
1816 – 1873
Du ziehst in Schönheit wie die
Nacht, Maria,
Geheimnisreich, gewaltig, hehr
und prächtig!
Das reiche Haar umwallt dich
dunkelflechtig,
Die Augen blühn wie
Sternenpracht, Maria!
O träumerische Sternenpracht,
Maria!
So strahlt der große Himmel
klar allnächtig,
Du ziehst in Herrlichkeiten
zaubermächtig
Und unbewußt doch deiner
Macht, Maria!
So folg’ ich stille deinen
stolzen Pfaden,
Bezaubert ganz und meiner
selbst vergessen
Und übervoll von dir die
Brust, Maria!
O dürft’ ich der Gefühle mich
entladen
Vor dir, die mir die Seele
qualvoll pressen!
Endloses Leid, endlose Lust,
Maria!
von Königswinter
1816 – 1873
Bald voller Jubel hoch
emporgetragen
Und bald im stillen Kummer
fast vergangen,
Bald freud’gen Lebens voll und
bald befangen,
Bald unstet, bald voll
herzluichem Behagen!
Die Nächte träumen, wachen an
den Tagen,
In Ängsten voller Mut, in Lust
voll Bangen,
Gepeinigt von des Zweifels
gift’gen Schlangen,
Nach tausend Zeichen forschen
voller Zagen!
Auf hoffnungsödem Meer der
Sehnsucht gleiten,
Nur unbestimmten Wünschen
hingegeben,
Dann wieder feste Plane stark
bereiten!
in einem Bilde sich zu sammeln
streben
Und sonst verlieren sich in
Raum und Zeiten! –
O Gott, ich lieb’ und lebe
dieses Leben!
von Königswinter
1816 – 1873
In deine Augen bin ich oft
versunken,
So tief, so wunderbar sah ich
noch keine,
Abwehrend leuchten sie in
keuscher Reine,
Anlockend sprühen sie von
lichten Funken.
Bald still und kühl, bald wie
von Feuer trunken,
So gleichen sie dem edeln
Demantsteine,
Tautropfen bald, um dann im
Sonnenscheine
Mit blendend reicher
Farbenpracht zu prunken.
Welch seltsam Spiel!
Geheimnisvolle Blitze,
Was habt ihr vor? Wollt ihr
mir Leben spenden?
Zückt ihr verderbend zu des
Daseins Sitze?
Ich möchte fliehn und stets
muß ich mich wenden?
Der Lanze denk’ ich, die mit
ihrer Spitze
Heilt oder tötet. Ach, wie
soll das enden?
von Königswinter
1816 – 1873
Ich kann nicht wie ein eitler
Schwätzer werben
Mit süßem Wort und seichten
Tändeleien,
Mit Ständchen, Blumen, Stein-
und Perlenreihen,
Mit goldnem Schmuck und andern
bunten Scherben.
Soll mein Geständnis alles
auch verderben:
Ich werde dir zum Tempeldienst
nur weihen
Ein reines Herz – das bringt
allein Gedeihen –
So heischet Lieb’ zu leben und
zu sterben.
Vermag nur Glanz und Pracht
dich zu beglücken,
So neige dich der Schmeichler
leichten Scherzen,
Die dich mit hohlen
Erdendingen schmücken.
Und muß ich auch vergehn im
Gram und Schmerzen,
Ihr wahr’, entsagend aber voll
Entzücken,
Der Jugendliebe hohes Bild im
Herzen.
von Königswinter
1816 – 1873
Nur in der Nächte heimlich
stillen Träumen
Wagt es die Seele Bilder sich
zu schmücken,
Die, ach, nur jene dunkle Zeit
beglücken,
Bis Licht und Leben strahlt in
allen Räumen.
Mit dir dann wandl’ ich unter
Blütenbäumen,
Ich wage leis’ die weiße Hand
zu drücken,
Mund schwillt an Mund in
himmlischen Entzücken:
So ruhn wir an des Stromes
Blumensäumen!
Ach, kommt der Tag mit seinem
kalten Leben,
Ist meine Seele trübe, wund,
zerschlagen,
Mir hat geträumt, was nimmer sich
begeben.
Sei fest, mein Herz, das
Schlimmste zu ertragen,
Unmännlich ist’s zu zagen und
zu beben,
Es gilt ein starkes mutiges
Entsagen!
von Königswinter
1816 – 1873
Ich habe nun das höchste Glück
genossen,
Und brauche vor dem Tode nicht
zu beben;
Was ewig jung hält durchs
verwirrte Leben,
O, dieser Zauber hat sich mir
erschlossen.
Ich sah in dir, von Jugend
hold umflossen,
Die ew’ge Schönheit; göttlich,
hell umgeben
Von himmlischen Gebilden kann
ich streben
Zu jenen Höhen, denen sie
entsprossen.
Gesegnet seist du, denn meim
schönstes Hoffen
Hat sich in dir erfüllt; und
das Verderben
Vermeidet mich, seit mich dein
Blick getroffen.
Wer je die Schönheit sah, er
kann nicht sterben,
Ihm steht ein volles reiches
Leben offen:
Sie preisend muß er Ewigkeit
erwerben.
von Königswinter
1816 – 1873
O gält’ es Kraft und Mut, dich
zu erringen,
ich würde nimmer müd’ um dich
zu streiten,
Ich wollte segeln durch des
Meeres Weiten,
Der Alpen höchste Zacken überspringen.
Ja, könnten dich erfechten
scharfe Klingen,
Gern wollt’ ich gegen ganze
Heere reiten;
Und schreckten Zauber mich von
allen Seiten,
Dein Bild im Herzen, würd’ ich
sie bezwingen.
Doch selten heischt die Liebe
kühnes Wagen;
Wer kann, was ihr gefällt,
wohl recht erkunden?
Wer kann, was sie begehrt,
wohl recht erfragen?
Den süßesten Verein hat oft
gebunden
Ein einzig Wort voll süßem
bangem Zagen. –
O wer solch holdes Zauberwort
gefunden!
von Königswinter
1816 – 1873
Entscheide dich! Nicht fürder
mag ich bangen!
Wozu dies strenge herrische
Verhalten?
O spende warme Blicke nach den
kalten,
Und tausche deine Starrheit
mit Verlangen!
Nicht ewig kann die Luft voll
Wettern hangen,
Einmal muß sich das
Sonnenlicht entfalten.
Entsag’ den andern, willst du
mich erhalten,
Entsag’ der Welt, hast du mein
Bild empfangen!
Das ist kein Zagen
jungfräulicher Scheue,
Nein, Launen sind es, laß sie
endlich schwinden,
Sonst trifft dich endlich
selber bittre Reue!
Mit frevlem Spiele wirst du
nimmer binden
Mein unerfahrnes Herz, das so
von Treue,
Wie du wohl schwer ein zweites
möchtest finden.
von Königswinter
1816 – 1873
Zu bald verlass’ ich diese
Zauberkreise,
Nicht ohne Wünsche hab ich sie
durchzogen;
Ich schwieg’, wie doch mein
Herz dahingeflogen,
Nur meinem Lied vertraut ich
still und leise.
Heil dir! O könnte deines
Dichters Weise
Die Lose lenken fest und klar
gepflogen,
Hoch in den Sternen überm
Himmelsbogen,
Sie fielen dir, sie fielen mir
zum Preise!
Gescheh’ es nie; doch wenn dir
einst im Leben
Verwehn des Glaubens und der
Liebe Lichter,
Dem Frauenherzen hold als
Trost gegeben,
Lies diese Lieder, die ich dir
zu schlichter
Erinnrung gab. Ich würde
freudig beben,
Wär dir’s ein Trost, daß dich
geliebt ihr Dichter.
von Königswinter
1816 – 1873
Ach, fern von dir, ist mir das
Herz zerschlagen,
Aus trüben Augen kann ich kaum
mehr schauen,
Die Sonne blinkt so matt, die
Lüfte grauen,
Und nebeldumpf dahin die
Wolken jagen.
Die Vögel singen schmerzlich
tiefe Klagen,
Braun starrt der Berg und
düsterfarb’ die Auen,
Es schleicht der Fluß so
klanglos durch die Gauen:
Mir dehnt sich Stund’ an
Stund’ zu langen Tagen!
Hinaus, mein Herz, zu hohen
Bergeswegen!
Ich schau’ ins Land, wo sich
die Pfade breiten,
Zu dir, zu dir, dem liebsten
Ort entgegen.
Ach, wie die Vögel ziehn, die
Kähne gleiten,
Die Wolken sich ob Berg und
Wald bewegen:
Ich weine still gedenkend
alter Zeiten!
von Königswinter
1816 – 1873
Je mehr ich strebe mich zu
überwinden
In dieser Liebe, ach, je mehr
verstricke
Ich mich hinein, je mehr ich
diese Blicke
Vermeiden will, je mehr möcht’
ich sie finden.
All meine Hoffnungssterne seh
ich schwinden,
Und keine Tröstung mehr, die
mich erquicke!
Mir grollen ringsum dunkel die
Geschicke!
Wie soll die Anmut sich dem
Gram verbinden?
Das ist der Liebe wunderbares
Wesen!
Wen ihr allmächt’ger scharfer
Pfeil getroffen,
Der wird trotz allen Mitteln
nicht genesen.
Er kann nur einzig auf
Erlösung hoffen,
Wenn er der Liebe, die ihn
hold erlesen,
Ans Herz sich schmiegt,
hingebend, warm und offen.
von Königswinter
1816 – 1873
Oft stürmt die Seele doch in
lauten Klagen,
Sie bebt und zittert, ach, in
wildem Bangen,
Daß diese Liebe, die mein Herz
empfangen
Als reifen Samen, keine Frucht
getragen.
Ich bin in diesen
buntgeschmückten Tagen
Stets stolz und männlich
meinen Weg gegangen,
Doch kann ich nicht mit
Erdengütern prangen:
Was gelten Herzen, die für
Schönheit schlagen?
O wag’ es nur den Schleier
aufzuheben,
Sieh eine Welt, die nur nach
wilder neuer
Zerstreuung sucht, um rasch
dahinzuleben;
Mir dient zum Trost, daß immer
ich mit treuer
Begeisterung der Wahrheit war
ergeben,
Treu hütend meiner Liebe
heil’ges Feuer.
von Königswinter
1816 – 1873
Wie trag’ ich dieses Glück?
Die Zeiten ließen
So schlimm sich an. Wie heiter
sie sich wenden!
ich wähnte meine Treue zu
verschwenden,
Und meine Liebe freudelos zu
schließen.
Und jetzt darf ich das höchste
Gut genießen.
An ihrer Brust beginnen und
vollenden
Die Tage sich; ich fleh’ von
allen Enden
Den reichsten Segen in mein
Leben fließen.
Wie das mir kam? Ich stand mit
ihr alleine,
Wir wechselten in langem Blick
die Kunde
Von unsrer Liebe, und sie war
die meine.
Dann lag zu heißem Kusse Mund
an Munde!
Sie floh hinweg, daß sie im
stillen weine!
Das war der Anfang zu dem
schönsten Bunde.
von Königswinter
1816 – 1873
Du fragtest mich, warum die
Töne schweigen,
Die unablässig sonst dem Geist
entquollen?
Nichts hab’ ich mehr zu
wünschen und zu wollen:
Das Glück nach dem ich rang,
ist ganz mein eigen.
Am liebsten mag das Lied der
Sehnsucht steigen
Aus Herzen, weichgestimmten,
sehnsuchtsvollen,
Aus Seelen, die verschmäht in
Kummer grollen;
Und Leid und Sehnsucht kann
ich dir nicht zeigen.
Ich plaudre, tändle, herze,
scherze, küsse;
Du gibst mir Antwort, Brust an
Brust gedrungen:
Das sind des Lebens
lieblichste Genüsse.
Heil mir, daß ich der
Einsamkeit entsprungen!
Mehr wert ist mir, als alle
Liedergüsse,
Das kleinste Wort, das deiner
Lieb’ entklungen!
von Königswinter
1816 – 1873
Ach alles, was du einst mit
mir gefühlet,
All’ die Beseligungen dieser
reichen
Und holden Liebe, hat mit
allen Zeichen
Die Zeit von deiner Seele
weggespület.
Dahin, dahin! So bist du
abgekühlet.
Dies Zittern, Beben im
Vorüberschleichen,
Dies plötzliche Erröten und
Erbleichen –
Ach, wie das alles noch im
Herzen wühlet!
Mein Bildnis mochte immer dir
entschwinden;
Denn meinem Wesen ist nicht
eingeschrieben
Reiz, Anmut, Schönheit, Glück,
um dich zu binden.
Doch eins ist immer
schmerzhaft mir geblieben:
O weh, dir fehlt das schöne
Nachempfinden
Für unsrer Jugend volles erstes
Lieben!
von Königswinter
1816 – 1873
Laß ruhn auf deinen Zügen
meine langen
Sehnsücht’gen Blicke, wo einst
manche Stunde
Sie ruhten, als in sel’gem
Liebesbunde
Glückselig Geist den Geist in
sich empfangen!
Laß ruhn den Blick auf deinen
schönen Wangen,
Wo meine lagen, auf dem süßen
Munde,
Wo meiner schwoll, in deiner
Augen Grunde,
Wo Seele sich an Seele
festgehangen!
Ich wünsche nichts, als leis
heraufzuschwören
Die bleichen Schatten
längstvergangner Stunden;
Schmerzsel’ge Lust will mich
dazu betören.
Ach, ich erlebe, was ich einst
empfunden:
Die alten Schwüre wähn’ ich
neu zu hören,
Und brennend bluten all die
alten Wunden!
von Königswinter
1816 – 1873
O hadre nicht, wenn ich nach
deinen Tritten
So wie vor Zeiten noch die
meinen lenke,
Wenn ich in Flur und Gärten
mich versenke,
Die ich seit langen Tagen
nicht durchschritten;
Wenn ich vor deinem Hause oft
inmitten
Der tiefen Nächte steh’! Daß
ich dich kränke,
Geschieht es nicht; und
zürnest du, bedenke,
Was ich um dich nicht alles
schon gelitten!
Was geht’s dich an! Du
brauchst nicht mehr zu lauschen,
Du hörst von mir nicht fürder
Huldigungen,
Nicht Wünsche, Herz um Herz
mit mir zu tauschen.
Ich folge dir, um an
Erinnerungen
Glüsel’ger Zeiten still mich
zu berauschen;
Ach, statt der Lust hält
Wehmut mit umschlungen!
von Königswinter
1816 – 1873
Es scheinet fast, du hast die
Zeit vergessen,
Als wir uns suchten einst an
allen Tagen,
Bis wir nach langem Wunsch im
Arm uns lagen,
Nach Willen uns zu küssen und
zu pressen.
Als wir getrennt die Nächte
still gesessen
Bald voller Lust und bald voll
bittrer Klagen;
Bis du mich endlich zwangest
zu entsagen,
War beides, Freud’ und Kummer
unermessen.
O leugne nicht, daß Liebe das
gewesen,
Was du mir weihtest;
menschlich edle Einheit,
Sie schmückte dein
jungfräuluich keusches Wesen.
Dich lockte, ach, des Glanzes
eitle Kleinheit,
Als später du im Buch der Welt
gelesen;
Die Liebe floh dir mit der
Seele Reinheit.
von Königswinter
1816 – 1873
Als schönstes liebstes Bild
muß ich dich nennen,
Das mir ins Leben fiel; du
hast von allen
Dem jugendheitern Sinn
voreinst gefallen;
Du lehrtest mich die süße
Liebe kennen.
Und nimmer dacht’ ich mich von
dir zu trennen,
Als du erhöret meines Herzens
Lallen:
Die Götterbilder in den
Tempelhallen
Ich sah sie plötzlich stürzen
und verbrennen.
Ich hab’ dir froh geopfert all
mein Leben;
Die heiligsten Gefühle und
Gedanken,
Mein Sein war ganz dir selig hingegeben.
Ach, du vergaßest es! Dein
leichtes Schwanken,
Es ließ ein Herz, - Gott mög’
es dir vergeben! –
Das froh wie keins war, zum
Tod erkranken.
von Königswinter
1816 – 1873
Es war zu jeder Zeit umsonst
mein Streben
Zu forschen, ob aus innerm
Seelendrange
Du mich verlassen, ob in
hartem Zwange
Du fremder Überredung
nachgegeben.
Doch kühn darf sich das Wort
zu dir erheben,
Daß du ein Herz verschmäht vom
reinsten Drange,
Und einen Geist, dem auf des
Lebens Gange
Die Schönheit und die Freiheit
rechtes Leben.
Verwachte Nächte und verweinte
Tage
Lag ich dem Gram in harten
dürren Armen;
Ich litt um dich, wie
nimmermehr ich’s sage.
Doch fleh’ ich nicht um
niedriges Erbarmen.
Einst blüht der Geist auf’s neu’:
durch Leid und Plage
Kann ja die reiche Seele nicht
verarmen!
von Königswinter
1816 – 1873
Wer will verlorne Liebe nicht
beklagen!
Ich sag’ es laut, ich mußte
sie beweinen,
Und doch will es mir oft als
Glück erscheinen,
Ach, unsrer Seelen zeitiges
Entsagen.
Ich hätte mich zuletzt nach
langen Tagen
In dir geirrt; anhangend nur
dem Kleinen,
Dem Mittelmäß’gen mußtest du
erscheinen,
Wo mir das Herz für Großes nur
geschlagen.
Jetzt glomm die Liebe nur für
kurze Zeiten,
Doch Rosen glich sie, hellen
Lenzgeschenken,
Die sich durch liebereiche
Gärten breiten.
Und will ich in Erinnrung mich
versenken,
So bleibet sie, solang’ mir
Tage gleiten
Dem Geist des wundervollste
Angedenken.
von Königswinter
1816 – 1873
Leb’ wohl, leb’ wohl auf alle
Erdentage!
Ich will dich nun für ew’ge
Zeiten meiden,
Erstorben ist die Liebe in uns
beiden,
Wir sind uns tot, und ich,
mein Kind, entsage.
Nicht Liebeswünsche,
Liebeslust und Klage
Erklingt dir fürder; magst du
froh dich weiden
Am Leben, - Gott behüte dich
vor Leiden! –
Ich tu’ nach dir nun fürder
keine Frage.
Doch weih’ ich meine Brust
noch zum Altare:
Du stehst darin in
jungfräulicher Reine,
Der Gürtel schmückt den Leib,
der Kranz die Haare.
Ruh’ keusch und hell in diesem
festen Schreine!
Als meiner ersten Liebe Bild
bewahre
Ich dich in ewig heil’gem
Glorienscheine.
von Königswinter
1816 – 1873
Als ich dich liebte, liebtest
du nicht wieder:
Du sahst mich krank und siech,
den Wunden, Armen,
Ach, ohne Mitgefühl und ohn’
Erbarmen;
Da starb mein Herz, es
schwiegen seine Lieder.
Zu einem andern flog mit
Glanzgefieder
Dein junger Sinn; du hofftest
zu erwarmen
In des Geliebten lebensvollen
Armen,
Doch floh er dich und bog dein
Leben nieder.
So sehn wir wieder uns nach
langen Tagen
Verhärmt, vergrämt; wir haben
gleiche Leiden,
Ach, um verlorne Liebe nun
getragen!
Es hat den andern keiner zu
beneiden,
Wir sehn versöhnt uns an mit
bangem Zagen:
O, schöne junge Liebe starb uns
beiden!
von Königswinter
1816 – 1873
So mußte diese Liebe denn
entschweben:
Im Wind zerstoben ist das
sel’ge Scherzen!
Die Sehnsucht tot! Ich zünde
an die Kerzen:
Ich will das Leichentuch noch
einmal heben.
Die Jugend hin, der beste Teil
vom Leben!
Zerrissen, ach, der beste Teil
vom Herzen!
Einst doppelt froh durch dich,
dann voller Schmerzen!
Allein jetzt gilt es länger
nicht zu beben.
Zum letzten mal red’ ich von
alten Tagen,
Nicht länger schwelg’ ich in
verrauschten Wonnen,
Den Schmerz will ich mit Lust
nicht fürder tragen!
Leb’ wohl, leb’ wohl,
zerronnen ist zerronnen!
Der Jüngling ist dahin, die
Lieb’ zerschlagen;
Doch ist die Freiheit und der
Mann gewonnen!